My Estonia 3 - Rezension
Im dritten Teil von Justin Petrone‘s "My Estonia"-Reihe werden
die Jahre 2007-2013 abgedeckt, eine lange Zeitspanne für 352 Seiten Text,
sodass quasi nur die Highlights erzählt werden. Justin ist immer noch auf der
Suche nach seinem Platz im Leben – mit inzwischen zwei Kindern leben er und
seine Frau Epp mal in New York, mal in Tartu – erst in Karlova, dann in
Tähtvere. Das sind zwei Stadtviertel, in denen ich mich als EMÜ-Studentin gerne
rumtrieb, daher habe ich viele Straßen wiedererkannt und mich beim Lesen sofort
wie zu Hause gefühlt. Der Verlag Petrone Print wird von hier aus aufgebaut,
während Justin als Journalist und Blogger arbeitet und wieder studiert – an der
Tartu Ülikool (Universität von Tartu) und einer Studentenverbindung beitritt. Er
trifft auf einige interessante Gestalten (eine Dozentin beispielswese, die heftig
die Heterosexualität des Dichters Kristjan Jaak Peterson verteidigt… Das ist
der Dichter, dessen Statue ich immer besuche, wenn ich in Tartu bin!),
unterhält sich mit dem Grab eines estnischen Kriegshelden, tritt in so einige
Fettnäpfchen (Feuer zu machen IST aber auch schwer, wenn man nicht als
estnischer Mann erzogen wurde!), genießt den „spirit of Tartu“ und beschließt
schließlich, dass seine Familie in Viljandi besser aufgehoben ist als in
Indien, wo Epp gerne hin ziehen würde. Sie packen wieder ihre Koffer und
wandern durch eine Menge mir bekannter Straßen Viljandis. Und wer noch nie dort
war, wird diese kleine, wunderschöne Stadt ein paar Kapitel später ganz sicher
besuchen wollen!
Die beiden bekannten Cafés der Stadt, das Fellin und das „Roheline
Maja“ (das grüne Haus) werden gerade eröffnet, während die Familie Petrone sich
hier ein Zuhause aufbaut. Besonders das Roheline Maja wird dem Leser
schmackhaft gemacht, denn Justin freundet sich mit den Besitzern an, die eine
Menge kurioser Geschichten zu erzählen haben.
Wie in den beiden vorangehenden Büchern lernt man den
Charakter der Esten besser kennen, ihre oft eigenwillig erscheinenden
Traditionen (ich verrate hier mal nicht, was nach der Geburt eines Kindes für
eine Weile in der Tiefkühltruhe landet, lest selbst) und kann mit Justin
mitfühlen, wie er sich alle Mühe gibt, sich in die Kultur einzufinden und dabei
immer wieder zu scheitern scheint.
Da in Viljandi alle Leute Kinder bekommen, erhält auch die
Petrone-Familie noch einmal Zuwachs, aber Justin geht es zunehmend schlechter. Es
ist nicht leicht, drei Mädchen zweisprachig zu erziehen, wenn man selbst mit
der neuen Sprache kämpft, Kontakte zu knüpfen fällt nicht leicht mit den
wortkargen Esten und Feuer machen ist einfach nicht sein Ding. Er ist nun mal nicht
als Este aufgewachsen, sondern ist Amerikaner aus einer italienischen Familie! Als
ihm dann auch noch mehr oder weniger Grundlos der Führerschein entzogen wird,
reicht es ihm: mit Kind und Kegel geht es wieder zurück in die USA.
Klingt jetzt nicht mehr so lustig, aber Petrone schafft es,
bei noch so ernsten und deprimierenden Themen humorvoll zu bleiben. Und ganz am
Schluss kann man nochmal aufatmen – im Vorwort wurde es bereits vorweggenommen –
inzwischen lebt die Familie wieder in Estland.
Kennt man die beiden anderen Bände nicht, ist diese Buch
vielleicht etwas verwirrend und wirkt auch nicht ganz so fröhlich. Wer aber die
anderen Teile gelesen hat, für den ist auch dieses ein Muss! Ich liebe diese
Bücher vor allem, weil ich die Orte wiedererkenne und einige Situationen sehr
gut nachvollziehen kann. Das Einzige, was mich stört, ist, dass die drei Bände
nicht schön nebeneinander im Regal stehen, sondern alle unterschiedlich groß
sind.
Justin Petrone
My Estonia, Part 3 – “What happened?”
Taschenbuch, 370 Seiten
Petrone
Print, 2015
ISBN-13: 978-9949556106
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