Tage in Burma
In einem Kolonialhaus wie diesem hat wohl George Orwell gelebt |
Jeder Myanmar-Reisende hat es im Rucksack, ich natürlich
auch: George Orwells „Burmese Days“, sein…. des Imperialismus. Orwell diente
1922 bis 1927 in Burma und war unter anderem in Pyin U Lwin stationiert. Was er
während seiner Zeit in Britisch-Indien erlebt hat und seine Anschichten zum
Kolonialismus hat er in „Tage in Burma“, wie es auf Deutsch heißt, verarbeitet.
Das Buch zeigt das Alltagsleben der Briten in Burma und ihren Umgang mit den Einheimischen,
die sie ausbeuten und als niedere Lebewesen betrachten – bis auf Mr. Flory
jedenfalls, der durch seine Freundschaft zu einem indischen Arzt und der
Faszination für die burmesische Kultur ein ziemlicher Außenseiter unter den
wenigen Europäern in der kleinen Stadt Kyauktada am Irrawaddy ist.
Auf der Karte, die ich vom Hostel bekomme, ist auch das Haus
eingezeichnet, in dem Orwell lebte, während er in Pyin U Lwin war. Leider sind
nicht alle Straßen auf der Karte eingezeichnet, und keines der in Frage
kommenden Häuser ist als solches gekennzeichnet, sodass ich einfach alle
Kolonialbauten in der Umgebung fotografiere und zu Hause sagen kann: „In einem
dieser Häuser hat George Orwell mal gelebt! Ihr wisst schon, der Autor von
1984!“
Vielleicht war dieses Orwells Haus... |
...oder dieses |
Kolonialbauten gibt es hier sehr viele, als Taxis fahren
hauptsächlich Pferdekutschen durch die Stadt und in der Nähe des Marktes steht
noch die Turmuhr der Briten. Irgendwann verlaufe ich mich auf der Suche nach
dem Wohnsitz des Schriftstellers, und auch das Mädchen auf dem Nachhauseweg von
der Schule, das neben mir hergeht und irgendwann sagt, sie möchte gerne etwas
Englisch üben, kann mir nicht weiterhelfen. „Taxi?“, fragt man mich von der
anderen Straßenseite. Ich mustere das magere Pony mit den aufgeschubberten
Flanken, eine „wandelnde Huferkrankung“ mit Kutsche hintendran. „No horse
taxi!“, sage ich in möglichst einfachen Worten. „Have motorbike taxi?“
Der Kutscher bedeutet mir zu warten und rennt nach nebenan.
Jemand ruft etwas und schon ist ein Mopedbesitzer zum Taxifahrer befördert
worden. Ich navigiere ihn zu dem Restaurant, das ich ausprobieren möchte, die
Adresse auf meinem Handy kann er nämlich nicht lesen.
In Pyin U Lwin gibt es dank der Briten Kirchen, aber auch
einen Hindutempel und eine Moschee. „War da nicht was mit der muslimischen
Minderheit in Myanmar?“, denkt ihr jetzt vielleicht. Aber nein, denn die
Rohingyias, die man aus den Nachrichten kennt, sind zwar muslimisch. Aber das
ist nicht das Problem. „Ich bin Buddhistin, wie die Meisten, aber ich habe
Freunde, die sind Hindus, Christen, und Muslime“, erklärt mir Maw, die sehr gut
Englisch spricht. „Welche Religion die haben, ist völlig egal. Das Problem mit
den Rohingyias ist, dass sie keine Volksgruppe dieses Landes sind. Sie sind aus
Bangladesch hier illegal eingewandert. Wenn sie einen Pass von Myanmar haben,
ist doch alles wunderbar, dann können sie bleiben. Wenn nicht, müssen sie
gehen.“ Über inhaftierte Journalisten will sie nicht sprechen. Tatsächlich
liegt in meinem Hotel in Mandalay ein paar Tage später übrigens eine Zeitung
herum, die über die Gewalt an den Rohingyias berichtet. „Die Gewalt geht nicht
von der Regierung aus, sondern vom Militär“, erklärt Maw. „Die wissen, wie sich
Macht anfühlt, jetzt wollen sie sie natürlich wieder. 25 Prozent des Militärs
sitzt im Parlament, uns ist das zu viel, denen ist es zu wenig. Die Leute
müssen aber mal geduldig mit unserer Regierung sein. Wir hatten sechzig Jahre
Militärdiktatur, die gewählte Regierung gibt es seit zweieinhalb Jahren.
Niemand kann über Nacht das Land verändern.“ Das Thema der Rohingyias wird also
nicht gerne angesprochen. Und allgemein, wenn es um Politik geht, beherrscht
die Angst vor dem Militär die Meinungen der Leute ebenso wie die Hoffnung, dass
die neue Regierung es mit der Zeit schon hinbekommt.
Dat Taw Gyaint Wasserfall |
...mit eigener Badebucht |
Umso besser, denke ich, die fünf Euro habe ich noch, und
dann habe ich sogar noch Zeit, mir den Kandawgyi botanischen Garten anzugucken.
Und in einem renovierten Kolonialhaus Mittag zu essen. Im „Club Terrace“ fühle
ich mich allerdings etwas fehl am Platze, so als einziger Gast, mit dreckiger
Trekkinghose, auf die mir ein Kellner eine Serviette platziert…
Kandawgyi botanischer Garten |
The Club Terrace Restaurant |
Statt mich nochmal stundenlang in den Zug zu setzen, nehme
ich ein Sammeltaxi zurück nach Mandalay und bin innerhalb einer Stunde dort.
Zeit genug, noch ein bisschen Sightseeing zu machen, den Sonnenuntergang von
der 1,2 Kilometer langen U-Bein-Brücke aus Teakholz anzugucken und in ein
schickes Hotel einzuchecken.
Die U-Bein Brücke sieht nicht überall sehr vertrauenserweckend aus... |
Denn jetzt kommt’s: Wie kam ich eigentlich auf die Idee, in
meinen kurzen Ferien nach Südostasien zu fliegen und eine Woche lang von einer
Sehenswürdigkeit zur nächsten zu hetzen?
Ich bin für einen Workshop nach Myanmar gekommen, „Elephant
Care Asia“. Mit elf anderen Teilnehmern darf ich bei den großartigen
Elefantentierärzten Dr. Susan Mikota, Dr. Willem Schaftenaar und Dr. Khyne U
Mar eine Woche lang lernen und üben. Und Kontakte knüpfen, denn die Anderen
sind erfahrene Tierärzte und Elefanten-Manager aus Indien, Nepal, Sri Lanka,
Laos, Vietnam, Kambodscha, Thailand und Indonesien. Wir treffen uns in einem
viel zu schicken Hotel, um am nächsten Morgen zusammen nach Kalaw zu fahren –
noch eine britische „hill station“, wo wir in einem Kolonialhotel von 1903
untergebracht sind. Auch das „Kalaw Heritage Hotel“ ist viel zu schick für
Backpacker, es gibt hier dreimal täglich Buffet, einen Souvenirshop und sogar
einen Tennisplatz. So richtig britisch eben.
der britische Clock Tower in Kalaw |
Aussicht von unserem Balkon im Kalaw Heritage Hotel |
Dr. Khyne gibt mir abends in der sehr englisch
eingerichteten Bar einen Gin Tonic aus („Wir haben hier nur Rum in Myanmar, da
nehme ich doch lieber Gin aus England mit“, sagt die Professorin der Sheffield
University“) und erzählt schon einmal ein bisschen was über die Elefanten in
Myanmar. Über die wilde Population weiß man sehr wenig, nur, dass sie stark
bedroht ist. Die Arbeitselefanten werden hingegen immer öfter arbeitslos, da
die Abholzung verboten wurde. Doch auswildern kann man die oft in
Gefangenschaft geborenen und stark an den Menschen gewöhnten Elefanten nicht.
Die Holzgewinnung mit Elefanten ist selektiv und schadet dem Wald deutlich weniger
als Maschinen, und die Haltung der Arbeitstiere mit festen Arbeitszeiten und
nach Alter und Körpergewicht berechneter Arbeitslast, Urlaub während der heißen
Monate und einem relativ frühen Rentenalter für die Elefanten ist vorbildlich
und der Hauptgrund, warum Myanmar als Veranstaltungsort für unseren Workshop
gewählt wurde. Verstaatlicht wurde die Holzwirtschaft mit den Elefanten
übrigens – wie sollte es anders sein – von den Briten.
George Orwell
Tage in Burma
Diogenes Verlag, 336 Seiten
12 Euro
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