Vom Leben in der veganen Stadt
Es ist nur ein Punkt auf der Landkarte, ohne Namen, an einer ebenso namenlosen Straße, ein paar Kilometer südlich von Lampang am Rande eines
Dorfes. Der Taxifahrer spricht so gut Englisch wie ich Thai, er kann nicht
lesen, was mein Handy in lateinischen Buchstaben anzeigt, ich kann nichts in
sein thailändisches Handy eingeben. Aber es seien nur ungefähr zwanzig Minuten Fahrt,
sagt mir Google, und beim dritten Versuch habe ich den Namen des Dorfes so
ausgesprochen, dass er weiß, was ich meine. Die Taxis in Lampang sind Pick-ups
mit zwei kleinen Bänken und einem Dach auf der Ladefläche, aber ungefähr auf
halber Strecke halten wir an und ich steige nach vorne um. Die Tür klemmt und
lässt sich nur mit Griff ins Innere öffnen (praktischerweise ist da ein Loch),
die Pedale sind verrostet und der Tacho scheint keinen Zeiger zu haben. Die
Fahrerkabine ist wie immer vollgestopft mit Amuletten, Buddhafiguren, Bildern
des Königs und der Sonnenschutz verringert das Sichtfeld nach vorne zusätzlich.
Ab jetzt fahren wir nach Navi und sowohl der Fahrer als auch ich gestikulieren
– „turn left“, sage ich und winke, er nickt, winkt auch nach links und
wiederholt vermutlich „links abbiegen“ auf Thai. Es funktioniert einwandfrei.
Nach dem Schrottplatz über die Brücke und dann hinter dem Tempel rechts. An
einem Schotterweg halten wir schließlich an und einigen uns, dass ich den Rest
zu Fuß gehen kann. Schon hält auch ein Moped neben mir an: „Where you going?“,
fragt die Frau, die hinten drauf sitzt.
„Vegan Town.“ Es ist das Lokal, das ich über HappyCow
gefunden habe. Es gab nur eine kurze Beschreibung und eine einzige Bewertung
und ich habe schon ein bisschen Angst, dass es gar nicht existiert.
„Ach, da fahren wir auch hin!“ Sie zeigt den Weg entlang.
„Sind ungefähr noch hundert Meter!“
Sie winkt und fährt wieder los.
Ich bin nur ein paar Meter gegangen, als sie wiederkommt,
diesmal alleine, offenbar hat sie ihren Mann dort gelassen und lässt jetzt mich
aufsteigen. Sie stellt sich als Aim vor, eine der Gründerinnen von Vegan Town.
Ihr Mann heißt Tee und fotografiert uns erst einmal.
Ich setze mich auf eine Bambusbank an einem Bambustisch
unter einem kleinen Bambusdach und bestelle Probierportionen von allem, was
heute zu essen da ist. Aim führt mich über das Gelände, während gekocht wird.
Vegan Town wurde erst im November 2018 von ungefähr 30 Partnern ins Leben
gerufen, es ist eigentlich eine Art Farming-Community. Hier wird Bioobst und
–gemüse angebaut, für den Eigenbedarf und das vegane Restaurant, Tagetes
(Studentenblumen, marigolds) zum
Verkauf, denn diese gelben Blumen werden in Tempeln geopfert, aber es ist auch
ein Ort zum Leben und Arbeiten. Die Küche befindet sich unter ein paar
Schirmen, in einem großen Tontopf kocht Kräutertee über dem offenen Feuer, die
Tische stehen angenehm verstreut unter vereinzelten Bäumen. Neben dem Rosenbeet
kann man sich gemütlich auf Strohballen setzen, neben der Feuerstelle werden
Fische in einem kleinen Teich gehalten, die die Moskitos fressen sollen, die
Kinder der Mitarbeiter laufen herum, schaukeln, üben Gitarre. Klingt turbulent,
aber da das Gelände so weitläufig ist, hat man wunderbar seine Ruhe. Keine
richtigen Nachbarn, hinter den Gemüsebeeten Wald, unterhalb der Blumen der
Wang-Fluss.
Während wir zwischen Ingwer, Kohl, Auberginen und Tomaten
entlanggehen, folgt uns Tee und macht immer wieder Fotos. Wahrscheinlich waren
noch nicht allzu viele farang hier.
„Und das ist das Pilzhaus.“ Aim zeigt auf eine Hütte im
Schatten. Nachdem ich die Pilze bewundert habe, fragt Aim, ob ich davon auch
welche probieren möchte. Klar, warum nicht. Zurück an meinem Tisch steht mein
Mittagessen und frischer geeister Grüntee mit Sojamilch schon unter einem
Insektenschutz aus Bambus. Tee muss nochmal loslaufen und Pilze ernten, die er
mir auch kurz zeigt, bevor sie in der Pfanne landen. Aim schickt ihn dann
nochmal los, um passende Kräuter dazu zu pflücken. Ich könnte den ganzen Tag
hier sitzen, auf den Fluss gucken, an dessen gegenüberliegendem Ufer man auch
nur Wald sieht, Eistee trinken und den Vögeln beim Zwitschern zuhören.
„Klar, komm doch einfach morgen wieder“, schlägt Aim vor,
ich sitze auch hier und arbeite, wir haben natürlich WLAN.“
Erstmal lerne ich noch Keng kennen, der auch hier arbeitet,
wie Aim sofort eine Facebook-Freundschaftsanfrage verschickt und mich später
auf dem Moped nach Hause fährt. Mit seinem großen Sonnenhut und den
Gummistiefeln sieht er wie ein richtiger Farmer aus, anders als Aim, die in
traditioneller thailändischer Kleidung herumläuft.
Damit ich im Hostel nicht verhungere, bekomme ich noch
Take-away und knuspriges Reisbrot von verschiedenen Leuten in die Hand
gedrückt.
Man kann auch vom eigenen Garten aus Teil der Farming-Community werden, indem man beispielsweise einen Quadratmeter für marigolds zur Verfügung stellt.
„Und, kommst du morgen wieder?“, fragt Keng, nachdem er mich in der Nähe des Hostels abgesetzt hat. Er wohnt nicht auf dem Gelände der Vegan Town, sondern in Lampang und kann mich deshalb auch am nächsten Morgen mitnehmen. Hier sitze ich jetzt also wieder, sozusagen am Rand des Dschungels, und schreibe. Um mich herum die Bauern, die Veganer, die thailändischen Hippies.
„Und, kommst du morgen wieder?“, fragt Keng, nachdem er mich in der Nähe des Hostels abgesetzt hat. Er wohnt nicht auf dem Gelände der Vegan Town, sondern in Lampang und kann mich deshalb auch am nächsten Morgen mitnehmen. Hier sitze ich jetzt also wieder, sozusagen am Rand des Dschungels, und schreibe. Um mich herum die Bauern, die Veganer, die thailändischen Hippies.
Ja, es sind wirklich alle vegan, die hier arbeiten und
leben, und auch viele der Gäste, die so kommen. Auf den ersten Blick wirkt
Thailand nicht so Veganer-freundlich, aber wie es scheint, gibt es doch einen
Weg an all den Fisch- und Austernsaucen vorbei!
Auch heute werde ich nach dem Essen gefragt, wann ich wieder
nach Hause möchte, und da Keng schon mittags weg muss, kommt eine Frau namens
Lynn auf mich zu, um mich zum Hostel zu fahren.
Sie erklärt mir auch, was es mit der großen Brücke auf sich
hat, die vom Parkplatz am Eingang bis in die Mitte des Geländes führt. Da es
hier so paradiesisch aussieht, ist das die Brücke in den Himmel. Oder zurück in
den Rest der Welt, wenn man Vegan Town wieder verlässt.
Übernachten könnte man hier aber auch, in süßen kleinen
Bambushütten auf Stelzen, bisher gibt es zwar nur eine Dusche für alle, aber
weitere werden gerade gebaut. Für 300 Baht, also etwa acht Euro die Nacht kann
man hier entspannen, drei Mahlzeiten am Tag inklusive.
Nächstes Mal, verspreche ich, obwohl ich nicht sicher bin,
ob ich es jemals wieder nach Lampang schaffen werde.
Facebook-Homepage Vegan Town
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