Eine Nacht in den Bäumen: The Bangkok Tree House

„Wenn alle Insekten der Erde verschwinden würden, würde alles Leben auf der Erde innerhalb von 50 Jahren enden. Verschwänden alle Menschen von der Erde, würden innerhalb von 50 Jahren alle Lebensformen aufblühen.“
-          Jonas Salk


Dieses Zitat steht auf den T-Shirts der Angestellten im Bangkok Tree House. Was sie damit sagen wollen: Versuchen wir, miteinander zu leben und aufzublühen.


Ich wollte frische Luft atmen, Vögel zwitschern und Insekten zirpen hören statt Verkehrslärm, ich wollte neue Energie tanken – und das, ohne weit fahren zu müssen.
Tolle Idee, aber von Bangkok aus?
Es gibt einen perfekten Ort, und der ist sogar mitten in dieser versmogten, lauten, großen und chaotischen Stadt.

Foto: Bangkok Tree House

Der Ort heißt Bang Krachao und wird auch „grüne Lunge von Bangkok“ genannt. Man kann diese grüne Insel inmitten all dem Grau auf Satellitenbildern sehen – und eine Insel ist es tatsächlich, auf dem Chao Phraya Fluss. Schon bevor ich mich nach Thailand aufmachte, wusste ich, dass ich ein Wochenende dort verbringen müsste, und zwar in dem nachhaltigen Hotel, das sich seit 2011 dort befindet: Das Bangkok Treehouse.

Es erfüllt meine Vorstellungen von sanftem Tourismus: der Strom wird größtenteils selbst erzeugt mit Photovoltaik und Windrad, das Gemüse für das frische Bio-Essen wird direkt hier angebaut, alle Angestellten sind auf Bang Krachao aufgewachsen und wohnen so nah, dass sie zu Fuß zur Arbeit kommen können. Es führt nur ein schmaler Pfad zum Baumhaus, sodass es nicht mit dem Auto zu erreichen ist. Und gebaut wurde es aus Bambus (der unfassbar schnell wächst und daher ein wunderbarer nachwachsender Rohstoff ist) und Recycling-Materialien: auf der Homepage heißt es, dass die Wände mit alten Getränkekartons isoliert wurden; und für die Stege zwischen den Gebäudeteilen nahm man Holz, das Andere aussortiert hatten.

Für jede Buchung wird ein Kilo Müll aus dem Fluss gefischt. Ungefähr zweimal im Jahr macht sich das Hotelpersonal auf und sammelt den Abfall aus dem Chao Phraya. 2014 waren es bereits 3218 kg. Leider ist es dringend nötig. Unter den Stegen der Insel und den Hotelzimmern, von denen aus man durch Scheiben nach unten gucken kann, treiben bei Flut leere Plastikflaschen, Chipstüten, Styroporboxen aus Restaurants, Flipflops und anderer Müll im Wasser, und verfangen sich bei Ebbe in den Bäumen und im Schlamm.



Das Bangkok Treehouse ist leichter zu erreichen, als man denkt: Die Bang Na Skytrain-Station ist nicht weit weg vom Pier, von dem aus man für vier baht (0,1€) mit einer kleinen Fähre über den Fluss gesetzt wird, und dann sind es noch ungefähr drei Minuten zu Fuß. Ich betrete eine andere Welt – raus aus dem Lärm und Schmutz Bangkoks in einen Wald, in dem man sich auf schmalen Stegen bewegt und wo nur kleine, bunte Holzhäuser zwischen den Bäumen stehen.

 Ich bekomme zur Begrüßung eine Auswahl von vier Kräuterteesorten: Chrysanthemum, Roselle, Quitte, und Schmetterlingsblume, die alle hier auf dem Hotelgelände wachsen. Mein Frühstück bestelle ich schon vor, das vermeidet ein Buffet, von dem Essen weggeworfen wird. Die veganen Optionen sind markiert – es gibt hier kein Fleisch, aber vegane und vegetarische Gerichte und Fisch. Natürlich wird auch kompostiert. Essensreste, Gemüseschalen und ähnliches machen in Thailand 23% des Mülls aus, ein Kompost im eigenen Garten macht also Sinn.
 
Wer permanent in Thailand wohnt, kann 15% Rabatt auf seinen Aufenthalt bekommen, wenn er sein Handy beim Check-in abgibt und in einem Schließfach lässt – so kann man dann während des Urlaubs auch mal richtig abschalten! Das ist eine Anregung, für die Erlebnisse zu verreisen, nicht für die Fotos, und den Blick mal zu heben von all den Nachrichten, die ständig eintrudeln.



Die Hotelzimmer nennen sich Nester, und ich habe das Ameisen-Nest erwischt. Klingt unangenehm, es gibt aber keine echten Ameisen hier, nur Deko-Insekten an den Wänden. Es hätte auch ein Bienen-Nest gegeben, zum Beispiel. Wie mit dem Zitat auf den T-Shirts will das Treehouse damit darauf aufmerksam machen, wie wichtig Insekten für unser Ökosystem sind.
Mein Nest besteht aus drei Stockwerken: Unten ein Bad mit Glasscheibe als Fußboden, sodass ich bei Flut Wasser unter mir sehe und bei Ebbe den Schlamm; mehr Platz als ich alleine brauche und eine Außendusche. Eine kreative Treppe führt rauf ins Schlafzimmer, wo mich eine „Öko-Karte“ informiert, dass Bettwäsche und Handtücher hier nicht standardmäßig täglich gereinigt werden, wenn man länger als eine Nacht bleibt, um Energie und Wasser zu sparen. Getrocknet wird die Wäsche immer in der Sonne und auch geputzt wird bei Gästen, die länger bleiben als ich, nicht automatisch jeden Tag. 


Foto: Bangkok Tree House

Ich trete auf meine Terrasse. Umgeben von Palmen kann ich nicht einmal meine Nachbarn sehen, nur Grün und den Himmel über mir. Vögel zwitschern, das Flusswasser unter mir plätschert, Grillen zirpen. Hin und wieder hört man ein Boot vorbeifahren.
Eine weitere Holztreppe höher steht eine große Liege, von der aus ich abends die Sterne betrachte, bis mich die Mücken zu sehr nerven.

Es ist eigentlich das ideale Hotel für einen romantischen Wochenendausflug für Paare.



Wieder unten trinke ich erst einmal die Kokosnuss, die mir ebenfalls als Willkommensgetränk hingestellt wurde, und trete auf die Dusch-Plattform. Zwei Wände und die dichten Palmen verdecken die Sicht, aber wem das nicht reicht, der kann auch noch einen Vorhang herunterlassen. Duschgel und Shampoo stehen in großen, nachfüllbaren Flaschen bereit, auf Kräuterbasis, hergestellt hier auf der Insel. Naturbelassene Kosmetikprodukte sind wieder einmal wichtig, denn das Wasser aus der Dusche fließt direkt in den Chao Phraya. Diese Dusche ist, ehrlich gesagt, mein Lieblingsplatz im Hotel!


 Zwischen den Zimmern und dem hoteleigenen Anleger am Fluss läuft man auf Stegen, und mit Blick aufs Wasser kann man entweder in klimatisierten Räumen mit Glaswänden sitzen, oder draußen zwischen den Pflanzen, während man seinen Kräutertee oder Smoothie durch einen Metall-Strohhalm schlürft – richtig gelesen, das Treehouse bemüht sich in allen Bereichen, Müll zu vermeiden.
Am nächsten Morgen leihe ich mir eins der Fahrräder, die das Hotel kostenlos zur Verfügung stellt, und erkunde die nähere Umgebung, bevor ich eine Tour bekomme. Auch die Tourguides leben natürlich auf Bang Krachao. Mit den Rädern balancieren wir dann auf den schmalen Stegen über die Insel. Manchmal gibt es Geländer, meistens aber nicht, es ist also Vorsicht geboten, wenn man Gegenverkehr ausweicht! Im Inneren der Insel gibt es auch richtige Straßen, aber im Vergleich zu Bangkoks fünfspurigen verstopften Verkehrswegen sind das hier ruhige kleine Wege. Wir besuchen den „floating market“, radeln durch den Wald, und im OTOP-Projekt (one tambon, one product – eine Region, ein Produkt) darf ich zugucken, wie Klamotten gebatikt werden und sogar mithelfen, Räucherstäbchen zu basteln, die, bestehend aus einer Paste aus Kaffeepulver und gemahlenen Kräutern, Mücken vertreiben sollen. Und vom Ufer aus gucken wir nach Bangkok hinüber, dessen Skyline jetzt fast unwirklich wirkt.

Foto: Bangkok Tree House





Es ist nicht nur das Bangkok Treehouse, das sich dafür einsetzt, Natur, Gesellschaft und Tourismus so zu verbinden, dass es klappt. Hier auf Bang Krachao hat man es ohne Fahrrad schwer, aber man kann sie an jeder Ecke mieten. Große Hotels und Häuser dürfen nicht gebaut werden, angestellt werden nur Bewohner der Insel, und Touristen übernachten in kleinen Homestays. Gegessen wird, was die Insel bereithält. Und die „Straßen“-Beleuchtung ist überall (wie auch die Lampen im Treehouse) LED.

 
Ich möchte am liebsten den ganzen Tag auf meiner Terrasse sitzen, oder die Füße von der Duschplattform baumeln lassen, nur mit den Geräuschen der Natur um mich herum, Kräutertee trinken, oder mit den Hunden und Katzen des Hotels zu meinen Füßen auf den Fluss hinaus und in den Wald hinein schauen.

Ich will nicht wieder weg.






http://www.bangkoktreehouse.com/index.php

Kommentare

Beliebte Posts

Zwischen Palmen und Plastikmüll

Essentials for your Estonian accent - a not-so scientific approach to linguistics

A Year in Estonia: Autumn. Sügis. Herbst.