Zurück in Nong Chok kämpfe ich weiter gegen Plastik
Ich bin wieder in Nong
Chok, an der Großtierklinik der Mahanakorn Universität. Momentan sind
Semesterferien, das heißt, die beiden Studentengruppen, die mit mir hier sind,
sind kleiner, da sie alle freiwillig Praktikum machen. In beiden Gruppen – der
aus dem zehnten und der aus dem sechsten Semester – gibt es einen Studenten,
der immer zum Übersetzen gerufen wird, und die Sechstsemester scheinen eine Art
Dienstplan aufgestellt zu haben, wer mich an welchem Abend nach Hause bringt.
Denn im Dunkeln zu Fuß laufen lassen will mich hier noch immer niemand, obwohl
es meistens kürzer wäre, weil man mit dem Auto oder Roller ja mindestens einen
U-Turn machen muss. Was soll ich sagen, an meinem letzten Abend fahren wir auch
mit dem Auto zu einem Restaurant – genau auf der anderen Straßenseite.
Unser erster Patient ist
ein drei Monate altes Kalb mit Lungenentzündung, mit dem wir zweimal täglich
inhalieren und das schnell wieder entlassen werden kann. Dann ist da die Kuh
mit dem gelähmten Hinterbein, die Massagen und Elektrostimulation bekommt, aber
niemand weiß so genau, woher das Problem eigentlich kommt und es wird nicht
besser. Cara, das Pferd mit der Wundheilungsstörung, ist immer noch da,
weiterhin zickig beim Verbandswechsel, aber sie sieht schon ein bisschen besser
aus. Wir enthornen die Kälber, die der Klinik gehören. Und zuletzt haben wir
noch einen Hengst, der im Transporter panisch wurde und jetzt mehrere Wunden
und Hämatome hat. Auch er bekommt tägliche Massagen und Laserakupunktur. Es ist
ziemlich spannend für mich, zu sehen, wie normal solche „alternativen
Heilmethoden“ hier sind, die in Deutschland oft noch belächelt werden und an
den deutschen Unis nicht im Lehrplan auftauchen.
Und ja, das sind alle
Patienten im Laufe meiner zwei Wochen hier.
Wir haben eine Menge
Zeit. Die Putzfrauen kochen für uns, wir gönnen uns eineinhalb Stunden
Mittagspause, Sax, einer der Studenten, hat seine Gitarre dabei und wir falten
Tupfer (die Sorte, die man in Deutschland bereits in dieser Form kauft…).
Meistens nutze ich den
Leerlauf, um zu lesen, recherchieren und zu schreiben.
Nachdem ich euch so viel
mit Problemen konfrontiert habe in letzter Zeit, sollte ich jetzt wohl mal
damit anfangen, wie wir sie bekämpfen können!
Es gibt bereits eine
Menge fantastischer „Zero-Waste-Blogger“ und ein paar habe ich unten verlinkt.
Auch Bücher darüber, wie wir unseren persönlichen ökologischen Fußabdruck
verkleinern und unseren Müll verringern können, gibt es inzwischen für jeden
Geschmack. Aber hier präsentiere ich euch mal ein paar Dinge, die mir geholfen
haben, meinen Müll zu reduzieren.
Ich bin nicht „zero
waste“. Ich bin auch nicht „low impact“. Aber ich verursache weniger Abfall als
der Durchschnitt und ich bemühe mich, noch ein noch besserer Mensch für den Planeten
zu werden.
Und mit den folgenden
Punkten habe ich meine Reise begonnen.
1.
Das Müllglas.
Bea
Johnson (die erste „Zero-Wasterin“), die Instagrammer, die Youtuber: sie alle
haben es. Das Weckglas, in das ihr gesamter Jahresmüll passt.
Warum
ausgerechnet ein Glas?
Es ist
eher ein Symbol.
In
unserer heutigen Gesellschaft und Wirtschaft gibt es kein „zero waste“. Null
Müll zu produzieren ist das Ziel, das man als „Zero-Waster“ hat, aber momentan
ist es unmöglich. Es ist allerdings tatsächlich möglich, seinen Müll drastisch
zu reduzieren.
Dafür
muss man natürlich wissen, wo man überhaupt anfangen soll. Jeder ist anders,
also kommt auch dein Müll anders zustande als meiner.
Das
Müllglas steht dafür, dass man sich damit auseinandersetzt. Wenn man seinen
Müll sammelt und guckt, woraus er eigentlich besteht, weiß man, wo man ansetzen
kann.
Am
Anfang habe ich eine Woche lang eine Strichliste geführt: jedes Teil, das ich
wegwarf, kam da rauf: Tetra-Paks. Tofuverpackungen. Pflaster. Und so weiter. Am
Ende der Woche konnte ich sehen: am meisten schmeiße ich Taschentücher in den
Müll – jetzt bin ich auf Stofftaschentücher umgestiegen (von einer Freundin,
meiner Oma und aus einem Secondhand-Laden). Erstes Problem gelöst (das ich
außerhalb der Heuschnupfen-Zeit wahrscheinlich nicht so gehabt hätte). Der
zweitgrößte Posten: Tetra-Paks: Hafermilch brauche ich jeden Tag zum Frühstück.
Dabei ist es unglaublich einfach, diese selbst zu machen: eine Handvoll
Haferflocken mit etwas Wasser in den Mixer, durch ein Geschirrtuch abseihen,
fertig! Das dauert keine zwei Minuten und ich hatte zu dem Zeitpunkt das Glück,
einen Unverpacktladen direkt ums Eck zuhaben, bei dem ich die Haferflocken (in
Deutschland angebaut, zusätzlicher ökologischer Pluspunkt), verpackungsfrei
einkaufen kann.
Im
Februar habe ich im Rahmen der „Futuristc February Challenge“ meinen gesamten
Müll aufgehoben (und gewaschen, damit er nicht schimmelt) und am Ende auch ein
Bild davon auf Instagram gepostet. Nach einem Monat seinem Müll gegenüber zu
stehen gibt wirklich einen guten Überblick, wie viel und vor allem was man
eigentlich produziert und es ist ein toller Ansporn, diesen Berg zu verringern!
Zu wissen, wo die „Probleme“ liegen, ist der wichtigste Schritt.
In den
letzten Wochen wurde ich ein paar Mal von Freunden auf meine Müll-Posts
angesprochen. Eine Freundin nimmt jetzt keinen Plastikdeckel mehr für ihren
täglichen Coffee-to-go, eine andere verwendet die Plastiktüten aus dem
Supermarkt wieder, statt sich jedes Mal eine neue geben zu lassen. Das ist ein
toller Start!
Hier in
Thailand beginnen meine Müllprobleme, wie letztes Jahr in Deutschland, beim
Frühstück: Die Sojamilch-Packungen! Inzwischen habe ich aber sowohl größere
Packungen als auch einen Marktstand gefunden, wo ich mir meine Flasche
auffüllen lassen kann!
Wer
nicht seinen Müll so lange aufheben will und auch nicht unbedingt Servietten
und Strohhalme aus dem Lokal mit nach Hause nehmen möchte (ich wurde da doch
ein bisschen komisch angeguckt, gebe ich zu), der kann auch Fotos machen.
Das
Müllglas bedeutet nicht, dass du deinen gesamten Müll in einem einzigen,
hübschen Gefäß unterbringen sollst. Es bedeutet, dass, um unseren Müll zu
reduzieren, wir erstmal wissen müssen, wo er eigentlich herkommt. Und dann geht
der Kampf gegen den Abfall los.
2.
„Zero Waste
Must-haves“.
Noch so
etwas das man aus den sozialen Medien kennt. Ich bin selbst schon in die Falle
getappt. Öfter als einmal. Zero Waste auf Instagram sieht so hübsch aus. Und
die Sachen in den Unverpacktläden auch. Natürlich wollen Firmen auch mit dem
Konzept „Zero Waste für Einsteiger“ Geld verdienen.
Also
einmal durchatmen und nachdenken.
Wer
keine Heißgetränke trinkt, braucht keinen schicken Coffe-to-go Becher. Muss ich
wirklich eine tolle Edelstahlflasche haben oder tut es nicht auch die „Emil“,
die noch im Keller rumfliegt, oder die Sportflasche hinten im Küchenschrank?
Und ja, vielleicht verfolgen wir das Ziel, alles Plastik aus unserem Leben zu
verbannen, aber die Tupperware ist der falsche Start – denn Gefäße für
Mittagessen und unverpackte Lebensmittel werden wir brauchen, wozu also etwas
Neues kaufen? Bei Zero Waste geht es darum, den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern,
und das tun wir nicht, wenn wir noch mehr Kram kaufen.
Nachdem
wir uns angeguckt haben, wo unser Müll eigentlich herkommt, wissen wir, wo wir
ansetzen können, um ihn zu verringern. Sind es hauptsächlich Wasserflaschen?
Dann ist eine wiederverwendbare genau das richtige. Eine alte Stofftasche, um
die Plastiktüten aus dem Supermarkt zu ersetzen. Und wenn du viel unterwegs isst,
lohnt es sich, Besteck dabei zu haben. Ich habe ein Besteckset aus Bambus, das
fast nichts wiegt, und dank der leicht antibakteriellen Eigenschaften des
Bambus macht es mir nichts aus, wenn ich mal kein Spülmittel habe und es nur
mit Wasser abspüle – aber ganz ehrlich, normales Besteck von daheim in einem
Beutel, der noch irgendwo rumlag, oder in ein Geschirrtuch gewickelt, tut es in
den meisten Fällen auch.
Um Müll
zu reduzieren, brauchst du nichts außer erhöhter Aufmerksamkeit. Das ist leichter
gesagt als getan, aber es bedeutet, du musst kein zusätzliches Geld ausgeben.
Hier ist
kein Platz, um auf all die Einweg-Sachen einzugehen, für die es tolle Mehrweg-Alternativen
gibt, aber wenn ihr Fragen habt, meldet euch gern. Ich freue mich auch, von
euren Austausch-Erfolgen zu hören!
3.
Die R’s.
Refuse,
reuse, recycle – ablehnen, wiederverwenden, recyceln. Das sind die ursprünglichen
drei R’s. Lucy Siegle schlägt in ihrem Buch „Turning the Tide on Plastic“
insgesamt acht vor:
Record –
protokollieren
Reduce –
verringern
Replace –
ersetzen
Refuse –
ablehnen
Reuse –
wiederverwenden
Refill –
auffüllen
Rethink –
überdenken
Recycle –
recyceln
Das ist
natürlich nicht so eingängig, aber Recht hat sie. Und die Reihenfolge ist ihr
auch wichtig.
Über das
Protokollieren haben wir schon gesprochen.
Verringern:
indem ich immer eine Stofftasche dabei habe, konnte ich den Strom an
Plastiktüten in meine Wohnung stark einschränken. Zum Beispiel. Immer öfter
frage ich mich auch: brauche ich das wirklich? Oder habe ich nicht schon etwas,
das diesen Zweck erfüllt? Und bin ich nicht bisher auch ohne ausgekommen?
Ersetzen:
Ich mache meine eigene Hafermilch, statt sie zu kaufen. Verwende feste Seifen
statt Shampoo und Duschgel. Bambus- statt Plastikzahnbürste. Losen Tee statt Teebeutel
(die meisten kommerziellen Teebeutel sind nicht einmal kompostierbar, sondern
enthalten Plastik!)
Das
Ablehnen ist wahrscheinlich der schwierigste Punkt auf der Liste, und zugleich
der wichtigste. Man muss oft schnell sein, um Nein zu der Tüte im Laden zu
sagen, man muss daran denken, schon beim Bestellen im Restaurant zu betonen,
dass man keinen Strohhalm braucht, und ich muss so viele Snacks links liegen
lassen. Man bekommt auch so viele kostenlose Sachen angeboten – eine Kollegin
bringt Süßigkeiten in die Arbeit mit, eine Partei oder NGO verteilt Sticker und
Kugelschreiber, wenn man dies kauft, gibt es jenes gratis dazu… Das erfordert
volle Aufmerksamkeit und eine Menge Selbstdisziplin!
Auffüllen:
In Unverpacktläden, oder mit großen Nachfüllpackungen für Salz, Seife, Reis,…
Die Wasserflasche natürlich. Und ich habe hier in Thailand das Glück, dass ich
mir auch Sojamilch aus einem großen Tank in meine eigene Flasche füllen lassen
kann.
Überdenken:
Jetzt darfst du kreativ werden! Durch die Schränke und den Keller stöbern, was
man davon brauchen könnte. Welche Gefäße toll wären, um sie wieder mit
irgendetwas zu befüllen. Welche Angewohnheiten kannst du ändern? Kommst du
morgens meistens spät weg und schaffst es deshalb nicht, dir einen Kaffee zu
Hause zu machen? Wenn Wecker eher stellen keine Option ist, dann pack eine Tasse
oder einen „Keepcup“ ein, um nicht jeden Tag einen neuen Becher wegzuwerfen. Vergisst
du, dir etwas zu trinken mitzunehmen? Stell die volle Wasserflasche schon am
Abend vorher neben deine Schuhe.
Recyclen:
Das haben wir ja schon von klein auf gelernt. Tatsächlich ist das aber eine
Wissenschaft für sich. Vieles, was ich lange für recycelbar gehalten habe, ist
es in Wirklichkeit nicht. Man muss sich durch Labels kämpfen, in vielen
Gemeinden die Joghurtbecher etc. auswaschen, mal sortiert man vor, mal kommt
alles zusammen in den gelben Sack…Und weltweit wird nur 15% allen Plastiks tatsächlich
recycelt. Auch hier könnte man wieder ganze Bücher schreiben… Recycling ist
nicht die Lösung, aber immer noch besser als Verbrennen oder im Meer enden
lassen. Leider musst du dich jetzt selbst ans Recherchieren machen, wie es in
deinem Wohnort genau abläuft und was alles angenommen wird.
Aber so gefällt's mir! |
4.
Die PROs
Wenn du
nicht gerade wie ich bist, also wie ein Fjordpferd im Heulager, dann ist einer
der Vorteile von „Zero Waste“/Müllreduzierung/Plastikfasten (wie auch immer man
es nennen möchte): man kann abnehmen.
Was, du
bist nicht mit Pferden aufgewachsen und verstehst den Vergleich nicht?
Fjordpferde
(und andere Ponys) sind darauf ausgelegt, in kalten, kargen Landschaften zu
überleben. Alles, was essbar ist, wird sofort verschlungen und das Maximum
rausgeholt. Ich lebe ebenfalls ständig in der Angst, nicht genug zu essen zu
finden (das vegan und unverpackt ist). Mit einem Besitzer und mehreren sicheren
Mahlzeiten am Tag plus Weidegang wird so ein Pony dann schnell mal zu dick. Und
in dem Überfluss an frischem Essen auf Märkten und in Straßenlokalen, mit
veganen Bäckereien, die mir die Brownies in meine eigene Box packen und so
weiter droht mir das gleiche Schicksal.
Unverpackte
Lebensmittel sind überall. Man muss nur die Augen aufmachen.
Jedenfalls,
für Menschen mit weniger Furcht vor der nächsten Eiszeit oder Dürre, die sich
des Überflusses bewusst sind, bedeutet der Verzicht auf Verpackungen: die
Ernährung wird gesünder. Fertiggerichte und Junkfood kommen immer in
irgendwelchen Verpackungen, und fast immer Plastik.
Also
sorry, keine Chips mehr für uns.
Und in
einem Standard-Supermarkt stellt man auch schnell fest: das, was man unverpackt
bekommen kann, ist meistens auch gesünder. Obst und Gemüse der Saison, Bananen,
Nüsse. Wenn es eine Abteilung mit Lebensmittelspendern gibt, dann findet man dort
in der Regel Haferflocken, Hülsenfrüchte und Kerne.
Zweiter
großer Vorteil: es spart Geld.
Viele
denken immer noch, unverpackt einkaufen sei teurer, und ich weiß nicht genau
warum.
Hier ein
paar Beispiele, wie ich Geld spare:
Feste Seifen
halten länger vor als eine Flasche Shampoo oder Duschgel.
Leitungswasser
ist günstiger als solches in Flaschen.
Zu Hause
losen Tee kochen statt ihn to go zu holen ist billiger.
Manchmal
muss man nur ein oder zwei Minuten Zeit investieren, um Geld zu sparen: ich
benutze zum Beispiel verdünnten Apfelessig (aus dem Loseladen) zum Putzen, als
Haar- und Hautpflege. Auch die selbstgemachte Hafermilch ist natürlich
günstiger als die im TetraPak. Und mein Waschmittel aus den kostenlos vom Wegrand aufgesammelten
Kastanien funktioniert einwandfrei.
Mit
jeder vermiedenen Plastiktüte im Supermarkt hat man wieder fünf Cent gespart.
Dann
denke ich noch an all die Snacks, die ich nicht gekauft habe, weil sie ja in
Plastik verpackt sind.
Man wird
auch aufmerksamer, und findet dann zum Beispiel Kräuter, Nüsse oder Obst in der
Natur, also ganz kostenlose Kochzutaten oder Snacks.
Es gibt
natürlich noch viele weitere Vorteile, etwa, dass man Menschen wieder näher
kommt, wenn man auf dem Wochenmarkt einkauft statt bei Lidl.
Ich
schätze die Geschenke der Natur noch mehr.
Und ganz
simpel: Man muss nicht mehr so oft einen stinkenden Müll raustragen, sondern
vielleicht nur noch alle zwei Wochen, und dann weiß man genau, was drin ist,
weil man es abgespült und protokolliert hat.
Ich hoffe, es war etwas
dabei, was euch hilft, weniger Müll zu produzieren und ich freue mich wie immer
auf euer Feedback, Fragen, Erfolgsgeschichten…!
Ja, ich habe ein paar
seltsame Hobbies in Thailand entwickelt…
„Hallo, ich bin Ina, ich
lese und ich schreibe. Außerdem liebe ich es, hinten auf dem Roller
mitzufahren, besonders zu dritt, ich kaufe täglich Essen in immer derselben Box
und sammle gern Müll vom Straßenrand auf und meinen eigenen sammle ich den ganzen Monat lang und poste dann Bilder davon auf Instagram.“
Noch mehr Lesestoff:
Und ihre Webseite: Wastelandrebel.com
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