Zwischen Elefanten und Hunden - Elephant Nature Park



Eine Familie aus den USA, eine Spanierin mit ihrer elfjährigen und eine Kanadierin mit ihrer erwachsenen Tochter, die beiden Neuseeländer, siebzehn Jahre alt, die gerade Osterferien haben, das französische Paar auf Weltreise und natürlich jede Menge Backpacker – das sind die Volunteers, mit denen ich diese Woche verbringe. Die Tage sind offiziell gut durchstrukturiert, aber viel Arbeit haben wir eigentlich nicht. Das liegt vielleicht daran, dass Nebensaison ist und bei den bis zu 42 Grad unsere Koordinatoren Angst haben, dass wir die Arbeit in der Sonne nicht gut vertragen.


Ich habe schon verschiedene Ansichten zu den Jahreszeiten in Thailand gehört: laut Reiseführer gibt es „kühl“, „heiß und feucht“ und „heiß und trocken“, laut meiner Kommilitonen an der MUT heißen sie „heiß, heißer, am heißesten“, C, der sich um uns Volunteers kümmert, kennt nur zwei: „heiß“ und „verdammt heiß“. Darrick, der sich gerade Eiswürfel in den Nacken legt und sich in seine Heimat Kanada zurückwünscht, empfindet deutlich mehr: Momentan ist „smoky season“, in der die Felder abgebrannt werden (obwohl es inzwischen offiziell verboten ist) und daher die Luft so schlecht wird, dass man die Berge nicht mehr sehen kann. „Aber ich trage keine Maske, als ich noch als Feuerwehrmann gearbeitet habe, habe ich die auch immer dann abgenommen, wenn sie am nötigsten gewesen wäre“, erzählt er mir. Bald ist dann Regenzeit, so ab Juni, Juli. Im September folgt seine Lieblingszeit: Gewitter. Immer noch warm. Angenehm kühl wird es im „Winter“, also November bis Januar, wo empfindliche Thailänder sogar Pullover brauchen.
Jetzt aber schwitzen alle, auch den hartgesottensten Thailändern ist es zu heiß. Deshalb stehe ich früh auf, um die angenehmen sechsundzwanzig Grad auszunutzen.



Morgens um sechs mache ich ein bisschen Yoga zwischen den Hunden, mit Blick auf die Elefanten. Um sieben gibt es Frühstück, um acht beginnt unser Arbeitstag – in Kleingruppen tageweise abwechselnd ausmisten und Futter von den Lieferantenautos in die „Elefantenküche“ abladen. Bananen kommen jeden Tag, der Pick-up mit den Wassermelonen bringt alle zwei Tage vier Tonnen davon – 84 Elefanten essen eine Menge. Täglich frisst ein Elefant etwa 10% seines Körpergewichts in Gras, Obst und Gemüse, das sind 200 bis 300 Kilo Futter. Aber schon nach zwei Stunden sind wir fertig damit.
Nach dem Mittagessen gibt es nochmal zwei bis drei Stunden „Arbeit“: Wasserbecken säubern, an anderen Ecken ausmisten, oder durch den Park spazieren und uns von C, einem unserer Koordinatoren, erzählen lassen, wie die Elefanten hierhergekommen sind. Immer haben wir ein paar Bananen dabei, um sie auch zu füttern. 




Yoga mit Hund


Wir wohnen alle hier auf dem Parkgelände, aber auch die Tagesbesucher verbringen in der Regel eine Nacht im Elephant Nature Park. Als solcher wird man durch den Park geführt, darf Elefanten beobachten, füttern, und auch berühren, wenn die Tiere es anbieten.
In unserer reichlichen Freizeit können wir im Pavillon am Fluss sitzen und Elefanten und Büffel beobachten oder im „Cat Kingdom“ Katzen streicheln. Oder zu den Dog Volunteers gehen und ihnen helfen, mit den fast 500 Hunden Gassi zu gehen. Viele von ihnen sind gelähmt, sodass ihnen ein Hunde-Rollstuhl angeschnallt wird, bevor sie auf die Wiese rennen. Diese Hunde zeigen einem wirklich, was Lebenswille ist! Viele stehen zur Adoption frei und warten auf ein „forever home“. Desmond, der morgens mit mir Yoga macht, muss aber leider hier bleiben, den hätte ich sonst schon gerne eingepackt!



Es ist wunderbar, auf der Terrasse zu sitzen und den Elefanten zuzugucken, wie sie im Fluss baden, sich mit Sand bewerfen oder gemeinsam im Schlamm planschen. Aber ich merke auch, dass ich nicht so viel lerne, wie ich gerne möchte – viele der anderen Volunteers wissen einfach noch nicht so viel über Elefanten wie ich.

Monatelang war ich mit dem Park in Email-Kontakt, um einen Platz im Vet-Volunteer-Programm zu ergattern, und erst viel zu spät habe ich erfahren, dass dieses in der heißen Nebensaison immer pausiert. Aber ich frage. Und frage. Und bettle. Zeige unserem Manager Mix die Emails, erwähne, dass ich Dr. Golf kenne, der den Elefantentierärzten Grüße ausrichten lassen möchte…und ich habe Erfolg: Dr. Dom und Dr. Bic willigen ein, mich einen Tag lang mitzunehmen und mir einen kleinen Einblick in ihre Arbeit zu geben. Soweit ich weiß, gibt es sieben Elefantentierärzte hier, die in Teams die Aufgaben untereinander aufgeteilt haben. Die Hunde und Katzen haben eine eigene Klinik, und dann gibt es noch die Kleintierpraxis, die komplett durch Spenden finanziert ist und in der die Dorfbewohner ihre Haustiere kostenlos behandeln lassen können.




Dom und Bic sind hauptsächlich für die Versorgung von Wunden zuständig. Die Tierärzte sind außerdem die einzigen außer mir, die mit Atemmaske herumlaufen. Ich klettere auf den Beiwagen des Mopeds und wir machen uns auf die Suche nach unserer ersten Patientin: die 104 Jahre alte Yai Bua. Sie hat einen großen, aber offenbar nicht schmerzhaften Abszess am Bein und Arthrosen. Es ist ein unglaublich hohes Alter für Elefanten und geht mit entsprechenden geriatrischen Problemen einher. Wir füttern sie mit weichgekochten Reisleckerlis mit Mineralstoffzusätzen und ich darf ihre tägliche Spritze mit dem Schmerzmittel geben. Dom zählt derweil auf, welche Medikamente sie regelmäßig mit welcher Dosierung einsetzen. Als Yai Bua aufgegessen hat, fahren wir weiter. Unsere nächste Patientin hat eine entzündete Zahnwurzel und bekommt ebenfalls ein entzündungshemmendes Schmerzmittel – ich zähle die 40 Tabletten ab und verstecke sie in einer Wassermelone.



„No treatment without food!“, sagt Dom, und wir gucken zu, wie die Elefantenkuh die ganze Kiste von uns geschälten Wassermelonen verspeist. Bic klettert in einen der vielen kleinen Gemüsegärten, die elefanten- und büffelsicher eingezäunt und überall im Park verteilt sind. Daher kommt ein Teil unseres Mittagessens, und heute eine Handvoll Maulbeeren.
Thai Khun ist unsere nächste Patientin, die ich mit Bananen und Reishäppchen füttere, während Bic ihre Wunde spült. Sie ist vor sechs Jahren in eine Landmine getreten und der Fuß ist immer noch nicht verheilt. Mit Hilfe des Mahouts verbindet er den Fuß. Thai Khun steht brav an ihrem Gatter für den „protected contact“.
Mittagspause. Nachmittags versorgen wir die Pferde: füttern sie, checken die Bindehautentzündungen und putzen alle. Zu den Elefanten habe ich eine kleine Sicherheitseinführung bekommen, dass ich weiß, wie man sich bei Pferden verhält, wird offenbar vorausgesetzt. „Hast du ein Pferd?“, fragt Bic, nachdem ich bei sechs der alten Militärpferde die Hufe ausgekratzt habe.
Nach einer weiteren Pause treffen wir uns am späten Nachmittag wieder bei Thai Khun. Dom hat jetzt das Futter in der Hand, sodass ich erst denke, ich bekäme diesmal nichts zu tun – doch dann drückt mir Bic das Kaliumpermanganat und eine Spritze in die Hand. „Spülen, wie du es am Vormittag gesehen hast.“



Handschuhe wären bei dem stark färbenden lila Zeug vielleicht noch eine gute Idee gewesen, aber was solls, Hauptsache, Thai Khun lässt sich die Behandlung von mir gefallen. Und das tut sie.
Der Elephant Nature Park öffnete 2003 seine Tore, jeder einzelne Elefant, der seinen Weg hierherfindet ist ein Großprojekt. Zu Noi Nas Ankunft gibt es sogar eine Dokumentation: „Love and Bananas“. Lek Chailert, die Gründerin, stammt aus einer Familie, die Elefanten mit Panjan trainiert hat (mehr dazu im vorherigen Post), und sie hat schon früh beschlossen, diesen Weg nicht weiterzugehen, sondern sich für das Wohlergehen der Tiere einzusetzen. Lek bedeutet „klein“, aber von dem, was ich über diese Frau höre und in den Dokumentationen sehe, ist ihre Ausstrahlung alles andere als das. Ihre Familie war nicht gerade einverstanden, dass Lek Fotos aus der grausamen Realität der Elefanten veröffentlicht und hat sie öffentlich aus der Familie verbannt. Inzwischen ist Lek Chailert schon eine internationale Berühmtheit und hat sich damit abgefunden, dass ihre Familie jetzt aus Tieren und ihrem Mann Darrick besteht.
Ihre Liebe zu Tieren geht, wie man sieht, über Elefanten hinaus. Während der großen Flut in Bangkok 2011 verteilte Lek mit ihren Angestellten Futter, Trinkwasser und Medikamente an all die Hunde, die sich auf Hausdächer gerettet hatten oder von ihren Besitzern zurückgelassen wurden. Alle Hunde, die sich auf ihr Boot trauten, haben nun im ENP ein neues Zuhause gefunden. Dass Tiere hier eine Zuflucht finden, hat sich offenbar herumgesprochen, denn oft werden Hunde und Katzen auch einfach am Eingang des Parks abgesetzt. Und die Leiterin des Hundeprojekts spricht von einem „Trip Advisor for Dogs“, weil ihr inzwischen so viele Hunde zugelaufen sind.
Abends gibt es natürlich auch immer Programm für uns Volunteers: Eine Tanzshow der Schüler aus dem Dorf, ein Filmabend, eine Einführung in Sprache und Kultur Thailands. Am ersten Tag wurden wir auch zu einer Neujahrszeremonie mit ins Dorf genommen.
Und nachts können wir die Sterne sehen, den Insekten zuhören, und hin und wieder bellt ein Hund oder grummelt ein Elefant.


Yai Bua, 104

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