The Sound of Silence: Ein Roadtrip durch Westisland
Nach vier Monaten, in denen ich mir oft jemanden an meiner Seite wünschte, mit dem ich meine Abenteuer teilen könnte, stelle ich nun fest, dass ich eigentlich sehr gut im Alleinreisen bin. Ich teile Erlebnisse gerne mit Menschen, die ich gerade erst kennen gelernt habe, oder auch erst im Nachhinein, indem ich schreibe. Jetzt aber sind wir zu viert.
Auf Island. Oder besser
gesagt: In Island, denn die Isländer bestehen darauf, dass es ein Land ist,
nicht einfach nur eine Insel. Wir fahren ein größeres Auto als jemals zuvor,
sodass wir richtig schön flexibel sind. Und so ist das Reisen ebenfalls
wunderbar.
Nach einer Nacht in Oslo
treffen wir uns alle am Flughafen Keflavik, dann verbringen wir die erste Nacht
in Island in einem Bus.
Hatte ich nicht gerade
gesagt, wir hätten ein Auto?
Das stimmt. Der Bus,
indem wir schlafen, hat nicht nur „Meerblick, Bergblick und Blick auf
Sehenswürdigkeit“ (wie es in der Beschreibung heißt), sondern er ist auch zur
Ferienwohnung umgebaut. Mit Stockbett, Küchenzeile und Heizung. Zwei solcher
Busse stehen bereits auf dem Gelände, das macht vier kleine Apartments; ein
dritter alter Bus wartet noch darauf, umgebaut zu werden.
Von diesem Stopp nördlich
von Reykjavik geht es weiter in den „Golden Circle“: der große, berühmte Geysir,
der inzwischen nur noch selten spuckt, sein kleiner Bruder Strokkur, Massen von
Touristen. Am Thingvallavatn laufen wir durch die Schlucht zwischen der eurasischen
und der nordamerikanischen tektonischen Platte. Sie heißt Almannagjá, weil
darin früher, als die Regierung hier Entscheidungen traf, alle Männer Platz
fanden.
Gleich bricht der Strokkur aus! |
Wir fliehen vor den
Menschenmassen und Reisebussen, ein Stück Richtung Snaefellsnaess, bis wir an
der Höhle Laugarvatn ankommen. Zwei junge Männer haben sich im Stil der
Zwanzigerjahre gekleidet und erzählen uns, wie sie hier die Geschichte wieder
aufleben lassen. „Alles wiederholt sich“, sagen sie, „wir haben hier wieder
Schafe, bauen Kartoffeln an und verkaufen Kaffee und Kuchen an Besucher.“ Dann
geht es rein in die Höhle, die mehr oder weniger ein Haus ist. Indriði
Guðmundsson und Guðrún Kolbeinsdóttir waren hier 1910 eingezogen, und lebten
für elf Monate in einer Höhle, die ihnen ein Zuhause bot, dass genauso gut war
wie die umliegenden Bauernhöfe. Jahrhundertelang hatten Schäfer und Reisende
sie bereits als Unterschlupf genutzt. 1918 entdeckten dann Jón Þorvarðsson und
Vigdís Helgadóttir das Haus im Gestein für sich, und sie blieben sogar für vier
Jahre. In der Zeit wurden zwei Kinder in der Höhle geboren und sogar der
dänische König kam zu Besuch.
Am zweiten Tag haben wir
dann Pferde im Garten. Unsere Ferienwohnung gehört zu einem Bauernhof in Oddsstađir
mit vierhundert Schafen und einer Menge Islandpferden. Natürlich müssen wir
also reiten! Die Pferde tragen uns durch die malerische Landschaft, durch die
Stille Islands, an einen der vielen wunderschönen Wasserfälle und klettern für
uns den Berg hoch. Die Sonne scheint. Sechs Tage am Stück.
Foto: Petra Loch |
Nächster Stopp: Die
Halbinsel Snaefellsnaess. Hier kann man „ganz Island im Kleinformat“ sehen,
heißt es. Schwarze Strände, den Gletscher Snaefellsjökull, das Fischerstädtchen
Olafsvík, den atemberaubenden See Sandkluftvatn, wo es nichts gibt, nur Geröll,
Wasser und Stille. Lavafleder und Trollwiesen. Schneefelder in der Ferne,
Schafe und Pferde am Straßenrand, das Meer dahinter, und überall Flüsse, Bäche
und Wasserfälle.
Nachdem wir in einer
engen Schlucht herumgeklettert sind, ziehe ich meine Schuhe aus und laufe
barfuß herum, so warm ist es. Auf dem Heimweg entdecken wir einen „hot pot“,
also eine natürliche heiße Quelle, in der wir uns entspannen können. Ich
dachte, danach müsste man erst recht frieren, bei knapp zehn Grad und Wind,
aber das schwefelhaltige Wasser hat uns so aufgewärmt, dass wir in Badesachen
zurück zum Auto wandern. Nicht ohne für zahlreiche Fotos anzuhalten, natürlich.
Zu einem richtige
Roadtrip gehören nicht nur lange Autofahrten und spontane Stopps, Frühstück von
Tankstellen, das niemandem richtig schmeckt, sondern natürlich auch, dass wir
zur nächsten Unterkunft weiterfahren. Also auf mit der Fähre zu den
Westfjorden! Während wir darauf warten, aufs Schiff zu dürfen, kann ich sogar
noch in der isländischen Veganer-Gesellschaft aktiv werden. Mit HappyCow kommt
man hier nicht weit, aber die Isländer haben ihre eigene App, in der
Restaurants im ganzen Land aufgelistet sind, in denen man etwas Veganes zu
essen bekommen kann. Nicht erwähnt ist da allerdings das Narfeyrarstofa
Restaurant in Stykkishólmur, das kann ich also hinzufügen.
Es ist schwer, die
atemberaubenden Landschaften zu beschreiben, Geröllfelder und Berge, das Meer,
die Gletscher, die Stille. Hinter jeder Kurve sieht es anders aus, und doch
passt es immer irgemdwie ganz gut zum Soundtrack von Game of Thrones oder den epischen Klängen von Ólafur Arnalds‘
Musik. Man versteht schnell, warum es so viele Geschichten über Trolle und
Elfen gibt, und warum Schriftsteller in Island ein so normaler (Neben-)Job ist
wie Kellner (hat irgendwie jeder schon mal gemacht: ein Buch veröffentlicht…).
Auch die Fotos können es nicht richtig zeigen.
Ich werde versuchen, es
beim nächsten Mal besser zu beschreiben, aber jetzt haben wir einen neuen Hot
Pot gefunden, ich muss also los!
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